Meine Superpower? Die Wechseljahre!

Gastautorin des Artikels: Nina Goldhammer
Titelfoto: Nina Goldhammer

„Ich hab mal wieder das volle Programm“, sagt meine Freundin zu mir und meint damit alle Symptome, die mit den Wechseljahren einhergehen: Haarausfall, Zorn auf alles, Mundgeruch, Hitzewallungen und so weiter – zugegeben, ein Lottogewinn fühlt sich anders an, aber seien wir mal ehrlich: Ein bisschen Bock macht es schon, der Umwelt als unbequeme Endvierzigerin auf den Senkel zu gehen.

Wechseljahre sind wie Pubertät. Nur besser.

Die Top 7 der guten Symptome.

Du bekommst keine Pickel, hast dein eigenes Auto und auf einmal auch viel mehr Möglichkeiten. Glaubst du nicht? Hier die ultimative Liste der GUTEN Symptome, die deine zweite Lebenshälfte bestimmen:

 

1. Massive Bullshit-Unlust

Mit Ende 20 verplempern wir gerne mal ein paar Jahre an einen inadäquaten Bettgefährten, eine billige Tagescreme oder einen unterbezahlten Scheißjob. Damals haben viele von uns aber auch noch Kette geraucht und sich ne Dauerwelle machen lassen.Mit Ende 40 verlierst du dann langsam die Fähigkeit, dir selbst etwas vorzumachen. Du hast gelernt, wer gut für dich ist und was dich weiterbringt. Du hast erfahren, was dich erfüllt und was dich ausbremst. Du bist nicht mehr so blind für deine eigenen Bedürfnisse. Ich sage es mal so:

Oft sehen wir Frauen erst durch unsere Gleitsichtbrillen klarer.

Selbstverständlich kannst du das auf die Hormone schieben, das machen die anderen schließlich auch: Schatz, du bist ist in den Wechseljahren. Sprich: Du bist schuld und kannst nichts dafür.

Ich schätze aber, es ist eher der Mix aus Erfahrung, Instinkt und Courage, der bei dir gerade in voller Blüte steht. Also gönn dir den Luxus, nicht alles oder jeden hinzunehmen und übe Sätze wie: Achja? Dann komm damit klar.

 

2. Spontane Style-Ausbrüche

Ich habe immer ein bestimmtes Bild von mir gehabt, aber seit ich in den Wechseljahren bin, bröckelt es lustig vor sich hin. Teile an mir werden voluminöser (Doppelkinn), andere flacher (Hintern). Wieder andere Teile sprießen an den falschen Stellen (Haare). Mein Körper kommt auf einmal mit halb so viel Sahnetorte aus, danke auch dafür. Und plötzlich bin ich nicht mehr die Nina mit der guten Figur, die alles essen, auf allen Absätzen laufen oder mit jedem flirten kann.

Bin ich deshalb eine andere? Nö, eigentlich nicht.

Laut Lemondays fühlen sich Frauen in den Wechseljahren oft regelrecht „unsichtbar“, weil sie die natürliche Attraktivität der Jugend und damit auch die Bestätigung von außen verlieren. Ich sehe aber auch, dass Frauen ab 50 aktuell in der Werbung und bei Instagram als Style-Ikonen gefeiert und vor allem auch im Berufsleben immer sichtbarer werden. Und zwar auf eine gute Art. Älter. Weiser. Oft viel schöner.

Ich persönlich habe gemischte Gefühle.
Ich will wieder mehr Sahnetorte und weniger Extrakilos. Die grauen Haare betrachte ich hingegen als Geschenk nach 30 Jahren Färben. Meine Pumps habe ich längst aussortiert, zu unbequem. Dafür genieße ich die totale Narrenfreiheit, was meine Garderobe angeht, in der Farben und Muster zusammenpassen – oder auch nicht. Wenn ich mir alt vorkomme, gucke ich bei @advancedstyle vorbei, wo das Älterwerden in allen Facetten gefeiert wird. Ist dir zu crazy? Dann empfehle ich dir Blogs wie BeFifty: modern, organic, damenhaft, zauberhaft.

Aber ganz gleich, ob du in Adidas oder Kaschmir alterst: Hauptsache, du klammerst dich nicht wie Thomas Gottschalk an deine Blondierung und heulst wegen ein paar Dellen im Po in deine Designerhandtasche.

 

3. Souveränitäts-Zunahme

Du siehst was, sagst was dazu, drehst dich in Rekordzeit um und gehst. Die Absätze, auf denen du dich umdrehst, sind ja auch deutlich niedriger. Darüber hinaus schaltest du ab 45 schneller auf positives Denken um, statt Zeit mit Zweifeln zu verschwenden.

 

4. Karriereschlaf-Störungen

Vor ein paar Jahrzehnten war es noch ein Ding der Unmöglichkeit, sich als Frau um die Vierzig beruflich zu verändern. Und heute? Als ich vor zwei Jahren mit 48 meinen gut bezahlten Führungsjob in der Werbebranche an den Nagel gehängt habe, hatte ich echte, blanke Panik, mich beruflich ins Aus zu schießen. Ich habe mich monatelang mit dem Gedanken „du hast doch alles“ aufgehalten, anstatt einzusehen, dass ich vor allem einen Job hatte, der mich längst nicht mehr erfüllte.

Manchmal sind es nicht die Hormone. Manchmal ist es ein Scheiß-Job.

Ich kündigte, und zum ersten Mal in meinem Leben klebte das Label „zu alt“ unsichtbar an meinem Lebenslauf. Über 40jährige Frauen in der Werbung? Selten bis nicht vorhanden. Ich schrieb eine Bewerbung und bekam eine Absage. Ich rief einen Freund an und erzählte ihm, dass ich einen neuen Job suche. Vier Wochen später saß ich glücklich in seinem Team. Ein Jahr später war ich meine eigene Chefin und hatte Zeit, Bock & Kohle an den Start zu bringen. Der Weg dahin war nicht ganz so einfach und wurde freundlich unterstützt von Freundinnen, Weinschorle und vier Therapiestunden. Dann war ich wieder in Spur. Diesmal in meiner eigenen.

 

5. Gute Erinnerungs-Wallungen

Klar, mit Ende Vierzig trauere ich manchmal intensiv um das, was hinter mir liegt: durchtanzte Nächte, ausgelassene Liebe, turbulentes Agenturleben, Pärchenurlaub ohne Kinder. Es ist eben einfach nicht das Gleiche, in der Grundschule auf einer Achtzigerjahreparty für die Eltern zu stehen als halb bekleidet in einer wogenden Clubpartymenge unterzugehen. Aber letztendlich ist es meine Entscheidung, das alles nicht mehr zu tun. Und vielleicht tue ich es ja irgendwann wieder.Fakt ist, dass ich heute meine Zeit ähnlich intensiv erlebe, nur eben mit Freunden, in der Natur oder auf Konzerten mit meinem Mann. Wenn wir quatschend nebeneinander im Auto in die Stadt sitzen, sind wir immer noch dieselben. Außerdem soll Wandern das Bungee Jumping der Mittfünfziger sein, und Stricken ist ohnehin der neue Hype.

 

6. Abklingende Entscheidungs-Hitze

Mit 20 triffst du Entscheidungen aus dem Bauch, mit dreißig triffst du welche für die Karriere, mit 35 triffst du Entscheidungen für andere. Mit 40 fängst du an, alle Entscheidungen, die du jemals getroffen hast, in Frage zu stellen und heulst dir nächtelang die Augen aus. Mit 45 hast du vielleicht sogar einige davon revidiert. Und mit (fast) 50?
Realisierst du, dass du auch weiterlebst, wenn du nicht täglich Entscheidungen triffst. Du hast verstanden, dass man sie sowieso nicht im Nachhinein bewerten kann. Und wenn du eine triffst, dann wackelst du selten, weil vieles ab jetzt nur in eine Richtung geht: in deine.

 

7. Diverse Selbstpflege-Symptome und trockener Humor

Deine Kinder sind langsam so erwachsen, dass sie sich ihr Nutella-Toast selbst schmieren können, und deine Eltern sind hoffentlich noch nicht so gebrechlich, dass du eigentlich wieder bei Ihnen einziehen müsstest. Also ist gerade keiner da, der deine Pflege benötigt? Echt jetzt? Dann mach doch mal das, was der Mensch im Spiegel will. Du siehst da nur Falten? Nimm sie mit Bravour und Humor.
Denn mit 50 hast du rein theoretisch die Hälfte deines Lebens noch vor dir. Und das Leben ist eine ziemlich einmalige Sache.

Obwohl, letztens habe ich gehört, dass jeder Mensch sogar zwei Leben hat: eines, bevor er gemerkt hat, dass er nur ein Leben hat und eines, nachdem er gemerkt hat, dass er NUR EIN Leben hat. Ein Freund hat mir das mal mit Hilfe einer Serviette in einem Restaurant erklärt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Deine Nina

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