Oliver Heuken: dankbar sein für geschenkte Lebenszeit

Gastautor des Artikels: Oliver Heuken

Vor 25 Jahren lebtest Du noch Gerhard. Am frühen Morgen des nächsten Tages nicht mehr.

Ich kenne Deinen Namen, lernte Dich aber nicht kennen. Ich weiß nicht, wie Du vor hattest, Silvester zu feiern. Ich gehe davon aus, Du hattest vor, mit Deiner Familie zu feiern. Es kam anders, bei Glatteis hattest Du in Köln einen Verkehrsunfall. Du hast es nicht geschafft.

Dir oder Deiner Familie, vielleicht auch Euch zusammen, war aber offenbar eins wichtig: Niemals geht man so ganz!

Du schenktest im Gehen Leben. Mir! Seit dem 01.01.1995 trage ich eine Deiner Nieren in mir. Seit dieser Zeit lebt ein Teil von Dir in mir weiter.

Immer wieder, immer wieder am 01.01. könnte ich feiern, weil ich wahrscheinlich genau deshalb noch am Leben bin. Es fällt mir aber schwer auf Gräbern zu tanzen. An diesem Tag wie auch fast an jedem anderen Tag denke ich an Dich – denke ich an die, die um Dich trauerten, denen Du unverhofft entrissen wurdest.

Bereits drei Tage nach der Transplantation, Tage nachdem die Anästhetika weitestgehend aus meinen Sinnen waren, fing ich an, mich damit zu beschäftigen – fühlte in mich, dass da nun ein Teil von dir ist, in mir weiterlebt. Ein sehr intensives Gefühl, ein komplett ambivalentes Gefühl. Ein Gefühl, dass nie Routine wird. Trauer, Dankbarkeit, Demut, Hoffnung, Ungewissheit, Verpflichtung, Freude. Es passiert so viel in einem, ist man kein Mensch von Oberflächlichkeit.

Sicher denken jetzt einige: Ist das nicht zu intim für das World Wide Web? Mag jeder für sich beurteilen. Ich für mich finde, dass der Mensch, dem ich mein Leben zu verdanken habe, diese Aufmerksamkeit verdient hat.

Für eins bin ich im besonderen dankbar: Du hast mich neu lernen lassen zu genießen, hast mir gezeigt. wie wichtig und wertvoll jeder Tag, jeder Moment und jeder Augenblick ist. Hast mir gezeigt, das Ende kündigt sich nicht mit Pauken und Trompeten an. Es ist irgendwann, vielleicht schon gleich, da! Einfach so!

Auch wenn der Tausch sehr einseitig ist: Für die eine Niere hast Du einen Teil meines Herzens – bis zu meinem letzten Ein- und Ausatmen.

Danke für Zeit zum Leben, Danke für Lebenszeit Gerhard! ❤️

Herzlichst, Oliver